das Schloß von Worienen

der nachfolgende Text wurde einem Kreisblatt der Kreisgemeinschaft Pr. Eylau entnommen - verfaßt von Fitz Brehm - die Photos stammen aus Privatbesitz (eigene und zugesandte)

Der Bau selbst wurde wohl auf einem aufgeschütteten Hügel errichtet. Die Grundmauern wurden aus Granit-Findlingen errichtet und besaßen gewaltige Ausmaße (4 m). Sie überragten den Hügel etwa um 2 m und gingen ca. l 1/2 m in die Erde hinein.

Reste des Schlosswallls (Sommer 2004)

Das ganze Schloß war jedoch nicht unterkellert, nur die Seitenflügel des Grundrisses, der doppel-T-förmig war, und ein Teil in der Mitte des Schlosses.

Der eigentliche Bau stand auf den Grundmauern, also in 2 m Höhe. Die Deckenhöhe dieser Räume betrug 4 m. Die Zimmer besaßen gewaltige Ausmaße wie 9 x 8 m und 8 x 8 1/2 m in den Seitenflügeln. Der Saal, in der Mitte gelegen, war etwa 10 x 15 m groß. Oberhalb dieser Räume befand sich das Dachgeschoß. Fast das ganze Obergeschoß (bis auf einen kleinen Teil) war ausgebaut und beherbergte eine Vielzahl von Mansarden. Der mittlere Teil des Schlosses besaß auch im Obergeschoß vorne zwei kleine, hinten ein sehr großes Zimmer.

Die Aufgänge (Treppen) zu dem Obergeschoß bestanden aus einer breiten Treppe im Mittelteil, einer kleinen Treppe in dem Raum an äußersten rechten Fenster der Längsfront und einer Wendeltreppe aus Eisen im Raum hinter der linken seitlichen Eingangstür. - Der Haupteingang zum Schloß führte über eine breite Treppe auf einen vor der mittleren Vorderfront liegenden ca. 3 m breiten Gehweg und von dort durch eine mächtige, ungefähr 3 m hohe, doppelflügelige in Fächern einfach verzierte natureichene Eingangstür. Die Griffe waren aus Bronze. Sie stellten den Arm eines Keglers dar, der mit aufgekrempelten Ärmeln eine Kugel in der Hand hielt. Man konnte sie, die im oberen Teil drehbar gelagert waren, so anheben, daß beim Loslassen die Kugeln auf einen Nocken schlugen, was einen lauten Klang gab. Über die Haupttreppe und den breiten Gang konnte man an zwei seitwärtige Eingangstüren gelangen, die genau wie die Haupteingangstür gestaltet waren.

Seiteneingang

Das gesamte Schloß besaß eine Zentralheizung mit dem Kessel im Keller des hinteren T-förmigen Teils. In dem gleichen Keller stand eine Zentrifugalpumpe, die das Wasser aus dem Brunnen in der zweiten Terrasse in einen Hydroptor drückte, der die Pumpe automatisch ein- und ausschaltete. Überall gab es fließendes warmes und kaltes Wasser. In einigen Zimmern, vor allem im linken Flügel, gab es noch offene Kamine, die jedoch nicht mehr betrieben wurden. Im linken Flügel einen gewaltigen Kamin in der Eingangshalle und im Zimmer nach dem Park zu. Die Kamine waren reich mit Stuckarbeiten verziert.

Der schon erwähnte sprindige Untergrund in der Umgebung des Schlosses brachte es mit sich, daß mehrere Teiche das Schloß umgaben.

Schloßteich

Zwischen dem großen und kleinen Teich soll einmal eine Wassermühle gestanden haben, die auch in alten Ordensakten erwähnt wird. Wir fanden, als wir einmal ausschlämmten, um 50-m-Schwimmbahnen zu schaffen, dicke, pechschwarze und steinharte Eichenbalken, die wohl noch von ihr stammten.

Hier soll die Mühle einmal gestanden haben

Beim Aufwerfen des Hügels zum Bau des Schlosses hat man wohl auch gleichzeitig einen Staudamm für den großen Teich gebaut, der dessen Wasser staute. Rund um das Schloß war ein Park von 7 ha Größe angelegt. Er umfaßte das Schloß, den dahinterliegenden Feuerlöschteich, den großen und den kleinen Teich. Der vierte Teich lag jenseits der Straße, also außerhalb des Parks.

Vor der großen Treppe des Schlosses lag ein großer, halbrunder Freiplatz, der zum Park in eine große Rasenfläche überging.

Nach der Parkseite folgten zwei Steilabfälle, so daß eine dreistufige Terrasse entstand. Die Stufen waren jeweils Rasenflächen. In der zweiten Stufe lag der Brunnen, der auch sehr tief war und auch bei stärkster Beanspruchung stets über l m Wasserstand aufwies. Es war hervorragendes weiches Wasser und gut schmackhaft. In der dritten Stufe befand sich ein ovales Bassin mit einem Springbrunnen. Erst um den kleinen Teich standen Baumgruppen mit Schwarzeschen. Am Rande der Terrasse, zum großen Teich und der Straße zu, wuchsen herrliche, alte Rotbuchen. Das ist aus dem Grunde erwähnenswert, da es ostwärts der Passarge keine Rotbuchen mehr als natürliches Vorkommen gab. Außer den auffallenden alten Rotbuchen zeigte der Park noch eine Menge Sonderliches. So standen dort auch zwei mir unbekannte Kastanienbäume. Der Blick vom Schloß in den Park war sehr schön.

Man muß annehmen, daß bei der Anlage des Parks alle diese Pflanzen, Sträucher und Bäume dort gepflanzt wurden. In ihm blühten unglaublich viele Türkenbundlilien und das große Salomonsiegel, Leberblümchen, wohlriechende Veilchen, Teufelskralle und viele andere Blumen. Die Terrassen selbst waren herrliche Steingärten in die mit viel Liebe und Verstand eine Unzahl von Steingärtenpflanzen gesetzt waren. Viele Arten von Mohn, Diesteln (Silberdiestel, Kugeldiestel), ja selbst Edelweiß waren zu finden. Die Ostseite des Schlosses (Flügel zur Straße) war zu Verkleidung des Aufwurfhügels an ihrem Hang ebenfalls ein herrlicher Steingarten, der durch seine Ostlage in dem rauhen Klima Ostpreußens im Frühjahr weitleuchtende bunte Flecken blühender Blumen zeigte, die die Vorübergehenden zum Stehenbleiben zwangen.

Der Park selbst war von einer Menge Promenadenwege durchzogen. Ein Weg führte an der Ostseite des großen Teiches entlang, der sein Wasser von einer stark sprindigen Stelle außerhalb des Parks erhielt.

Hier sprudelte viel Quellwasser aus der Erde. Die gegenüberliegende Seite des Teiches war nicht begehbar, dort war alles sprindig. Dieses Gebiet und der Anfang des Teiches waren dicht mit hohem Schilf bewachsen. In ihm brüteten im Frühjahr sehr viele Wildenten und Bießhühner. Da der Teich bis dicht an das Schloß heranreichte, konnte man die Tiere ungestört beobachten. Eine Sonderheit des Parks war noch das Vorkommen von Unmengen Dohlen, die in den alten Bäumen, die viele Höhlungen aufwiesen, nisteten. Hier stritten sie sich mit ihren Nistkonkurrenten, den Staren, deren es auch unglaublich viele gab. Die Form des Daches und die Form der roten Dachpfannen boten den Staren erstklassige Nistplätze. Im Frühjahr gab es bei der Fütterung der Jungen ein unglaubliches Konzert. Einen Wecker brauchte man da nicht.

Da es neben den Rotbuchen auch zahlreiche Weißbuchen im Park gab nebst den Unmengen von Haselnußsträuchem, waren im Herbst bis in den Winter hinein zahlreiche Eichhörnchen zu beobachten, die sich hier gütlich taten. Im Winter waren im Park und der Woriener Gemarkung auch zahlreiche Nebelkrähen zu beobachten. –

Ging man von der Schloßauffahrt, dem freien Platz vor der Großtreppe, zur Straße, so durchschritt man ein großes gemauertes Bogentor, das durch zwei eiserne Flügeltüren zu schließen war. Dahinter ging es mit erheblichem Gefälle zur Straße. Überschritt man diese, dann erreichte man einen geräumigen freien Platz von ca. 70 x 40 m, der mit Gefälle zu einem ca. 60 m langen, schmalen Gebäude führte: Dem Reitstall.

Nebengebäude des Schlosses

Der Reitstall enthielt rechts und links Wirtschaftsräume, Stallungen, Waschküche, Scheune und einen größeren Geräteraum. Die Mitte war eine freie Reithalle, die nach oben keine Decke aufwies; man konnte das Gebälk des Daches sehen. Oben war inmitten des Daches ein Türmchen, das eine Uhr enthielt. Diese soll einmal einem der Schloß- und Gutsbesitzer geschenkt worden sein. Die Uhr wurde durch mächtige, an Seilen hängende Granitkugeln angetrieben und besaß ein langes Pendel, das sehr langsam, aber dafür laut und deutlich tickte. In den späten Abend- und Nachtstunden war dieses Ticken, vom Schloß und den Bäumen des Parks zurückgeworfen, deutlich hörbar. Das veranlaßte die anwohnenden Woriener zu der Sage "daß der alte Dessauer umginge".

Im Park befand sich übrigens noch das Grab mit Denkmal für einen hohen französischen General, der in der Schlacht bei Pr. Eylau 1807 am 8. Februar schwer verwundet wurde und in dem zu einem Lazarett eingerichteten Schloß verstorben war. Die Familie des Generals pflegte dieses Grab bis in die letzte Zeit.

Einträge aus dem Sterberegister Eichhorn:

Den 10. Februar 1807 starb in dem Hofe Worienen
An seinen Wunden, welche er in der Schlacht bei Eylau empfangen hatte, Nicolaus Dahlmann, General Colonel, Commandant des chasseur à cheval de la Garde Impériale francaise und wurde den 12ten ejusd. in dem herrschaftlichen Gewölbe beigesetzt.
Weil ihn aber die Franzosen bei ihrem Rückzuge von Pr. Eilau
Aus dem Sarge geworfen, so wurde er auf dem hiesigen Kirchhofe begraben.

Die Kirche bekam nichts.
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Den 1. Februar 1807 starb in dem Hofe Worienen
an seinen Wunden, welche er in der Schlacht b.
Pr. Eylau empfangen hatte, der französische General
Hautpoult, und wurde in dem Worienschen Hofgarten begraben.

Die Kirche bekam nichts.

Bemerkung:
Bei der Plünderung der franz. Officiere in den Gewölben
sind die Särge der herrschaftlichen Leute unberührt geblieben.

An der Straße nach Zipperken zu - noch in Höhe des Parks und jenseits des Teiches Nr.4 - stand einmal eine zum Gut gehörige Brauerei mit angebauter großer Darre. Zu dieser Brauerei gehörte ein erdbunkerhafter, ziemlich großer Bierkeller, der in einer Ecke des Parkes lag. 1932 konnte man noch die vorderen Gewölbe betreten, die hinteren waren zum Teil schon eingestürzt. Etwa 1937 wurde der Keller zerstört und unzugänglich gemacht.

Zwischen Reitstall und Darre, noch diesseits des Teiches 4, stand ein langgestrecktes Stallgebäude, das am Ende zum Reitstall zu eine kleine Einraum-Wohnung besaß. Nach den Wiesen zu stand ein etwa 30 m langes Gewächshaus und das umliegende Land gehörte zu einer Gärtnerei.

Der Boden dieses Gärtnerei-Geländes war durch die jahrhundertelange gute Stalldüngung erstklassiger Humusboden, der sehr fruchtbar war. Das Gelände besaß nur einen hohen Grundwasserspiegel, so daß jegliche Obstbaumkultur erlag. Durch die Gärtnerei nebst Gewächshaus lief eine an den Wasserturm angeschlossene Wasserleitung, die es gestattete, das ganze Gelände mit bestgeeignetem Wasser zu besprengen.

Nach der Aufsiedlung kam die erst zwei- dann dreiklassige Schule in das Schloß, und zwar in den rechten Flügel. Der linke Flügel war die Wohnung des Hauptlehrers; die anderen wohnten im Obergeschoß des Schulflügels. Im Mittelteil des Schlosses befand sich in den Jahren 1932/33 ein Wehrertüchtigungslager des "Stahlhelm" unter einem Major Scharinger. Nach dem Aufbau der Wehrmacht fiel dieses Lager fort und an seine Stelle trat ein Landjahrlager für schulentlassene Großstadtjungen. Später zogen Landdienstmädel ein, die bis 1945 blieben.

Nachtrag zu dem Bericht von Lehrer Brehm von Horst Schulz

Das Schloß Worienen überstand den Russeneinfall Anfang Februar 1945 fast unbeschädigt, wurde nur von Russen und später von Polen ausgeplündert. Um 1946 war darin ein polnisches Waisenhaus für deutsche Kinder untergebracht, die polonisiert wurden. Nach dem Abzug des Waisenhauses blieb das Schloß ohne Benutzung; es wurde vollständig ausgeplündert und nach und nach demontiert. 1973 war der traurige Verfall sehr weit fortgeschritten. Bald danach ist es dann als halbe Ruine von den Polen vollständig zerstört und abgetragen worden. 1977 erinnerte nur noch ein Schuttplatz an diese Perle unserer Heimat. In neuerer Zeit wurde der Schloßpark von den Polen unter Naturschutz gestellt.